Zugang der Kündigung
Ganz entscheidend für die Wirksamkeit bzw. die Unwirksamkeit einer Kündigung ist der korrekte Zugang des Kündigungsschreibens bei dem Erklärungsempfänger, dem Arbeitgeber bzw. dem Arbeitnehmer. Es gilt der Grundsatz, dass derjenige, der die Kündigung ausgesprochen hat, auch beweisen muss, dass die Gegenseite die Kündigung auch bekommen hat. Es zählt hier also nicht nur die Absendung einer Kündigung per Post sondern auch der Beweis, dass diese Kündigung bei der anderen Seite angekommen ist. Wir alle kennen die – wenn auch seltenen – Fälle, in denen ein Brief/ein Paket/eine Postsendung auf dem Postwege verloren gegangen ist. Die Übersendung einer Kündigung per einfachen Brief birgt damit immer die Gefahr, dass die Kündigung beim Arbeitgeber/beim Arbeitnehmer nicht ankommt oder die andere Seite schlicht behauptet, die Kündigung sei nicht angekommen. In den seltensten Fällen lässt sich auf anderem Wege beweisen, dass ein einfaches Kündigungsschreiben der anderen Seite DOCH zugegangen ist
Beispiele für problematische Fälle beim Zugang einer Kündigung:
– Übersendung einer Kündigung mit einfachem Brief: Die Gegenseite behautet sie habe diesen Brief nie erhalten.
– Übersendung einer Kündigung per Einschreiben mit Rückschein: Arbeitgeber/Arbeitnehmer wird vom Postbeamten nicht angetroffen, sodass der Benachrichtigungsschein in den Briefkasten eingeworfen wird. Arbeitgeber/Arbeitnehmer macht sich aber nicht die Mühe, die Einschreibe-Postsendung bei der Post auch abzuholen: Das Kündigungsschreiben ist damit nicht zugegangen, weil es der Arbeitnehmer/die Arbeitgeberin nie in den Händen gehalten hat. Einwurf des Kündigungsschreibens in den Briefkasten der Wohnung des Arbeitnehmers, ohne dass der Bote sich zuvor den Inhalt des Briefumschlags angesehen hat: Arbeitgeber kann den Zugang der Kündigung nicht beweisen, wenn der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin behauptet, der Briefumschlag habe ein leeres Blatt Papier enthalten. Nur wenn sich der Bote zuvor den Inhalt des Briefes ansieht und das Kündigungsschreiben liest, ist der Bote Zeuge des Arbeitgebers dafür, dass tatsächlich auch das Kündigungsschreiben beim Arbeitnehmer zugegangen ist.
– Persönliche Übergabe des Kündigungsschreibens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin, ohne dass der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin aufgefordert wird, den Erhalt des Kündigungsschreibens dem Arbeitgeber zu unterzeichnen: Hier hat der Arbeitgeber ggf. ein Beweisproblem hinsichtlich des Zugangs des Kündigungsschreibens, wenn der Arbeitnehmer später behauptet, er hätte kein Kündigungsschreiben erhalten. Denn der Arbeitgeber kann als Partei eines Kündigungsschutzverfahrens nicht als Zeuge den Zugang der Kündigung selbst beweisen. Hier stünde das Wort der einen Partei (Arbeitgeber) gegen das Wort der anderen Partei (Arbeitnehmer), er, der Arbeitnehmer hätte die Kündigung nicht erhalten.
– Persönliche Übergabe des Kündigungsschreibens durch den Arbeitgeber im Unternehmen an den Arbeitnehmer, diesmal aber im Beisein einer anderen Mitarbeiterin/eines anderen Mitarbeiters. Selbst wenn der Arbeitnehmer den Erhalt der Kündigung nicht unterschreibt, kann der Arbeitgeber den Zugang der Kündigung durch die ebenfalls bei der Übergabe anwesenden Mitarbeiterin/den Mitarbeiter beweisen, wenn dieser Mitarbeiter/diese Mitarbeiterin zuvor den Inhalt des Kündigungsschreibens gelesen und die Übergabe genau dieses Schreibens auch bestätigen könnte. Als Zeuge/Zeugin ist der Mitarbeiter in einem Kündigungsschutzprozess zur Wahrheit verpflichtet und muss wahrheitsgemäß den Zugang des Kündigungsschreibens auf Nachfrage des Gerichts bestätigen.
– Persönliche Übergabe des Kündigungsschreibens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer mit Unterzeichnung des Arbeitnehmers, mit der er den Erhalt er Kündigung bestätig: Arbeitgeber kann auf diese Weise problemlos den Zugang der Kündigung in einem Kündigungsschutzprozess beweisen.
– Arbeitgeber will dem Arbeitnehmer im Büro des Arbeitgebers die Kündigung übergeben. Der Arbeitnehmer nimmt den Umschlag bzw. das Kündigungsschreiben nicht an sich und liest es sich auch nicht durch. Vorzeitig verlässt er das Büro. Ein Dritter war nicht anwesend: Die Kündigung ist grundsätzlich zugegangen, weil sich der Arbeitnehmer nicht in der geschehenen Weise weigern darf, ein ihm übergebenes Schreiben zur Kenntnis zu nehmen. Allerdings drohen dem Arbeitgeber Beweisprobleme hinsichtlich des Zugangs, wenn der Arbeitnehmer später wahrheitswidrig behauptet, es habe zwischen ihm und dem Arbeitgeber nur ein engagiertes Gespräch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegeben. Eine Kündigung habe er aber zu keinem Zeitpunkt erhalten. Da ein Dritter nicht anwesend ist, wird der Arbeitgeber den Zugang dieser Kündigung in einem Kündigungsschutzprozess nicht beweisen können.
– Ein Bote des Arbeitgebers überreicht eine Kündigung an der Wohnungstür des zu kündigenden Arbeitnehmers an einen Mitbewohner/Lebenspartner/Familienangehörigen oder Vermieter des Arbeitnehmers, nachdem der Bote sich zuvor das Kündigungsschreiben genau angesehen hat: Für den Zugang der Kündigung reicht es aus, dass die Kündigung an eine Person übergeben wird, die zur Entgegennahme von Briefsendungen nach allgemeiner Lebenserfahrung berechtigt ist. Um eine solche Person handelt es sich bei den soeben aufgeführten Personengruppen, sodass der Arbeitgeber den Zugang der Kündigung beweisen kann, selbst wenn die Kündigung Wohnungsintern nicht an den Arbeitnehmer weitergereicht wird.
– Gleicher Fall wie oben, aber die Kündigung wird einem minderjährigen Kind des Arbeitnehmers, einem Nachbarn, Babysitter oder Handwerker, die sich zufällig in der Wohnung des Arbeitnehmers aufhalten übergeben: Diese Personen gelten nicht als zu Entgegennahme von Schriftstücken berechtigt, sodass die Kündigung nicht zugegangen und damit auch nicht wirksam ist. Das Arbeitsverhältnis besteht weiter.
Kündigung durch Einwurf-Einschreiben in den Briefkasten des Arbeitnehmers: Der kündigende Arbeitnehmer erhält als Beleg für den Zugang dieses Schreibens einen Auslieferungsbeleg: Der Auslieferungsbeleg ist kein Beweismittel für den Zugang des Schriftstücks. Nur der Postbote könnte in einem späteren Kündigungsschutzverfahren Zeuge für den Zugang dieses Schreibens sein. Es ist aber in hohem Maße unwahrscheinlich, dass sich der Postbote Monate nach dem Einwurf dieses Einschreibens in den Briefkasten des Arbeitnehmers noch daran erinnert. Wenn sich der Postbote nicht erinnert, kann der Arbeitgeber noch nicht einmal den Zugang dieses Schreibens beweisen. Auch das zweite Problem wird sich für den Arbeitgeber stellen: Der Postbote wird keine Kenntnis vom Inhalt des Briefumschlags haben, den er dem Arbeitnehmer in den Briefkasten eingeworfen hat. Damit kann ein Arbeitgeber den Zugang eines Kündigungsschreibens auch bei einem Einwurf-Einschreiben dann nicht beweisen, wenn der Arbeitnehmer in einem Kündigungsschutzverfahren behauptet, er habe das Einschreiben bzw. die Kündigung nicht erhalten.
– Ein Arbeitgeber lässt eine Kündigung durch Boten in den Briefkasten des Arbeitnehmers einwerfen, während der Arbeitnehmer in einem mehrwöchigen Urlaub ist. Das Kündigungsschreiben ist in dem Moment zugegangen, in dem der Bote die Kündigung in den Briefkasten einwirft. Denn auch einem Arbeitnehmer, der im Urlaub ist, kann wirksam gekündigt werden. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber von der urlausbedingten Abwesenheit des Arbeitnehmers weis.
– Kündigung eines Arbeitnehmers zum Anfang einer länger dauernden Inhaftierung dieses Arbeitnehmers: Der Zugang dürfte unter der ursprünglichen Wohnadresse des Arbeitnehmers nicht gelingen, insbesondere wenn der Arbeitgeber von der Inhaftierung des Arbeitnehmers weis. Die Inhaftierung bewirkt eine dauerhafte Änderung der tatsächlichen Wohn- und Aufenthaltsadresse. Nur ein Zugang einer Kündigung unter dieser neuen Aufenthaltsadresse ist wirksam.
– Zugang eines Kündigungsschreibens während eines längeren, unvorhergesehenen stationären Aufenthalts des Arbeitnehmers im Krankenhaus: Kündigung gilt als zugegangen; der Arbeitnehmer erhält aber trotz Überschreitens der 3-wöchigen Kündigungsschutzklagefrist die Möglichkeit, beim Arbeitsgericht einen Antrag auf nachträgliche Zulassung seiner Kündigungsschutzklage zu stellen. Er muss in diesem Fall aber beweisen, dass es ihm wegen der besonderen Umstände und trotz Anwendung aller ihm zuzumutenden Sorgfalt nicht möglich war, von der Kündigung zu erfahren und die erforderlichen Klageschritte zu ergreifen (§ 5 KSchG). Den Antrag auf nachträgliche Zulassung seiner Klage kann der Arbeitnehmer nur innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall desjenigen Hindernisses erheben, das ihm die rechtzeitige Klageerhebung unmöglich gemacht hat.
– Kündigung erreicht den Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin per Fax oder E-Mail: Kein Zugang dieser Kündigung, da die eigenhändige Unterschrift des Arbeitgebers/des berechtigten Vertreters des Arbeitgebers fehlt. Gleiches gilt für ein Kündigungsschreiben mit der Unterschrift des Arbeitgebers, das eingescannt wurde und dem Arbeitnehmer übersandt wurde: Auch hier fehlt die eigenhändige Unterschrift des Arbeitgebers.
– Zugang einer Kündigung bei einem Wohnungswechsel des Arbeitnehmers: Hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber in irgendeiner Weise von dem Wohnungswechsel berichtet, ist eine Zustellung der Kündigung an die alte Wohnadresse unwirksam; die Kündigung gilt als nicht zugegangen. Hatte der Arbeitgeber keine Möglichkeit, von der neuen Wohnanschrift des neuen Arbeitnehmers Kenntnis zu erlangen, so kann er wirksam an die alte Wohnadresse zustellen.
Abschließend noch ein grundlegender Hinweis zu den Beweispflichten in einem Klageverfahren: Jede Seite hat die für sie günstigen und den Anspruch stützenden Punkte darzulegen und ggf. zu beweisen, wenn die Gegenseite bestreitet, dass der Sachverhalt wie von Arbeitnehmer/Arbeitgeber vorgetragen, gewesen sei.