Vergütung im Ausbildungsverhältnis
Das Bundesarbeitsgericht hat zum Thema Vergütung im Ausbildungsverhältnis vor kurzem einer Auszubildenden einen Schadensersatzanspruch zugesprochen, weil die vereinbarte Ausbildungsvergütung unangemessen niedrig gewesen sei. Allerdings umfasste im konkreten Fall dieser Schadensersatzanspruch nur die entgangene Vergütung bis zum Beginn des neuen Ausbildungsverhältnisses, nicht aber einen Entschädigungs- bzw. Abfindungsanspruch nach den §§ 9, 10 KSchG.
Der Fall zum Problembereich Vergütung im Ausbildungsverhältnis: Die Klägerin, eine Auszubildende, war in dem beklagten Betrieb etwas mehr als ein Jahr zu einer vereinbarten monatlichen Vergütung in Höhe von 500 € brutto im ersten Ausbildungsjahr und 550 € brutto im gerade begonnenen zweiten Ausbildungsjahr tätig. Die IHK hingegen beziffert die empfohlene Ausbildungsvergütung für das erste Ausbildungsjahr mit 669 € und mit 731 € mit dem Beginn des zweiten Ausbildungsjahrs. Nachdem der Ausbildungsbetrieb ab August 2009 trotz wiederholter Mahnungen durch die Auszubildende nicht mehr pünktlich gezahlt hatte, kündigte diese das Ausbildungsverhältnis unter Angabe von Gründen am 12. November 2009 fristlos. Schon vom 1. Dezember 2009 an arbeitete sie in einem neuen Ausbildungsbetrieb.
Die Klägerin klagte nun gegen ihren früheren Ausbildungsbetrieb die Differenz zwischen der ihr gezahlten Ausbildungsvergütung und der von der IHK empfohlenen Ausbildungsvergütung ein: immerhin monatlich 12 x 169 € im ersten Ausbildungsjahr und 4 x 181 € brutto für das abgebrochene zweite Ausbildungsjahr. Außerdem fordert sie von dem Beklagten Schadensersatz, weil er die vorzeitige Beendigung des Ausbildungsverhältnisses schuldhaft verursacht habe.
Das Bundesarbeitsgericht entscheidet nun zu diesem Bereich Vergütung im Ausbildungsverhältnis, dass die vereinbarte Ausbildungsvergütung dann unangemessen niedrig ist, wenn unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen sowie besonderer Umstände des Einzelfalls eine mehr als 20-prozentige Differenz zwischen der vereinbarten Ausbildungsvergütung und derjenigen Ausbildungsvergütung bestehe, die die Verkehrsanschauung für angemessen erachtet. Hier sind entweder einschlägige Ausbildungsvergütungen von Tarifverträgen zu beachten oder Empfehlungen der zuständigen IHK. Im vorliegenden Fall gab es keinen Tarifvertrag, sehr wohl aber die genannten Empfehlungen der IHK. Der Ausbildungsbetrieb hatte diese Empfehlungen um mehr als 20 % unterschritten, ohne dass es hierfür besondere Gründe gegeben hätte. Damit war die Vergütungsvereinbarung zwischen Auszubildender und Ausbilder (500 € bzw. 550 €) gemäß § 25 Berufsbildungsgesetz unwirksam und nichtig. An die Stelle dieser unwirksamen Vereinbarung tritt die von der IHK empfohlene (oder in einschlägigen Tarifverträgen ausgehandelte) Vergütung. Damit erhält die klagende Auszubildende die von ihr eingeklagte Vergütungsdifferenz. Eine wichtige Entscheidung zum immer wieder praktischen Thema der Vergütung im Ausbildungsverhältnis.
Als Schadensersatz spricht das Bundesarbeitsgericht der Klägerin die entgangene Vergütung bis zum Beginn des neuen Ausbildungsverhältnisses zu. Die Klägerin hatte darüber hinaus auch eine Abfindung als Schadensersatz unter Anwendung der §§ 9, 10 KSchG gefordert. Das Bundesarbeitsgericht lehnt eine solche Entschädigung für die Auszubildende ab, weil diese Bestimmungen nicht passend sind für das Berufsausbildungsverhältnis.
Hinweis: § 628 Abs. 2 BGB (Schadensersatz bei fristloser Kündigung) hingegen ermöglicht es dem/der fristlos Kündigenden auch, einen angemessenen Abfindungsbetrag nach den §§ Ziffer 9, 10 KSchG als Schadensersatz gegenüber dem früheren Arbeitgeber mit Aussicht auf Erfolg geltend zu machen.