Kündigung bei Interessenausgleich mit Namensliste
nach § 1 Abs. 5 KSchG
Wer hat was zu behaupten, darzulegen und ggf. zu beweisen, wenn in einem Betrieb gegenüber einem Mitarbeiter/einer Mitarbeiterin eine Kündigung bei Interessenausgleich mit Namensliste nach § 1 Abs. 5 KSchG ausgesprochen wird? Zur Erinnerung: an sich muss immer der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin alles darlegen und beweisen, was nach seiner/ihrer Auffassung die ausgesprochene Kündigung rechtfertigt. Die sog. Darlegungs- und Beweislast dafür, dass auch das Arbeitsgericht die Kündigung für gerechtfertigt hält, liegt daher vollständig beim Arbeitgeber.
Anders verhält es sich bei einer Kündigung bei Interessenausgleich mit Namensliste gemäß § 1 Abs. 5 KSchG. In einem solchen Fall hat es vor dem Ausspruch der Kündigung intensive Gespräche zwischen der Geschäftsleitung und dem Betriebsrat gegeben, welchen Mitarbeitern bei einer grundlegenden Veränderung des Betriebs im Sinne von § 111 Betriebsverfassungsgesetz gekündigt werden kann bzw. muss. Weil hier der Betriebsrat, also die Arbeitnehmervertretung, schon im Vorfeld intensiv in die Problematik der Kündigung einbezogen wurde, das Gesetz die Grundregel auf, dass die dann ausgesprochene Kündigung tatsächlich durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt und damit wirksam ist.
Wer hat nun für den Fall einer Kündigung bei Interessenausgleich mit Namensliste welche Dinge vorzutragen und zu beweisen? Das Bundesarbeitsgericht hat dies mit seiner Entscheidung vom 27. 9. 2012 (2 AZR 516/11) erneut konkret formuliert:
Der Arbeitgeber hat darzulegen, dass
- eine Betriebsänderung vorliegt (z.B. sind in Großbetrieben mehr als 5 % aller Mitarbeiter vom Personalabbau betroffen, § 17 Abs. 1 KSchG), und
- die Kündigung aufgrund dieser Betriebsänderung erfolgt ist, und
- eine Namensliste existiert und
- die Namensliste in schriftlicher Form zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat vereinbart wurde
Was muss nun der gekündigte Arbeitnehmer vortragen und beweisen, wenn er sich gegen die Kündigung zur Wehr setzen will? Er kann vortragen und müsste dies auch beweisen, dass
- eine der o.g. Arbeitgeber-Voraussetzungen für eine Kündigung bei Interessenausgleich mit Namensliste nicht gegeben ist, oder
- die Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat mit dem Ergebnis der Namensliste unwirksam ist, z.B. weil sie klar diskriminierende Grundregeln enthält oder
- sein Arbeitsplatz in Wirklichkeit noch vorhanden ist oder
- eine andere Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Betrieb oder im Unternehmen besteht
Häufig wird es auch ausreichen, dass der gekündigte Arbeitnehmer Vermutungen im Prozess vorträgt, hierfür muss er aber bestimmte Tatsachen behaupten und auch beweisen. Das Bundesarbeitsgericht verlangt vom Arbeitnehmer auch, dass er eigene Nachforschungen anstellt und alle ihm zur Verfügung stehenden Recherchemöglichkeiten ausschöpft.
Im Falle einer Kündigung bei Interessenausgleich mit Namensliste ist die Rechtsposition des Arbeitnehmers, der sich gegen seine Kündigung zur Wehr setzen will, deutlich schlechter und schwieriger als in denjenigen Fällen, in denen sich der Arbeitgeber im Vorfeld nicht mit dem Betriebsrat abgesprochen hat. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht, der die Interessen seines Mandanten effektiv wahrnehmen will, hat sich hier verstärkt mit den Fragen der jeweiligen Darlegungs- und Beweislast von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite auseinander zu setzen:
Wer muss was vor Gericht vortragen und bis zu welchem Punkt ggf. auch beweisen?
Auch hier gilt die Grundregel: vor Gericht hat jeder erst einmal die für ihn selbst sprechenden günstigen Punkte vorzutragen. Zu beweisen hat jeder die von ihm vorgetragenen Punkte erst dann, wenn die Gegenseite in zulässiger Weise den Vortrag der anderen Seite bestreitet. Mit einem „Bestreiten“ durch die andere Seite ist aber fest zu rechnen, da dies verständlicherweise zu den leichtesten Übungen im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung zählt. Im Zweifel muss daher am Ende jeder auch dasjenige beweisen, was er an Behauptung vorgetragen hat.
Einem Arbeitgeber wird in einem Fall einer Kündigung bei Interessenausgleich mit Namensliste seinen eigenen Vortrag auf das Notwendigste beschränken, um der Gegenseite, dem gekündigten Arbeitnehmer nicht zu viel Indizien und Tatsachen zu verraten, die dem Arbeitgeber selbst ggf. auf die Füße fallen könnten.
Der gekündigte Arbeitnehmer hingegen soll Fehler im gesamten Kündigungskonzept des Arbeitgebers aufzeigen und klarmachen, dass sein eigener Arbeitsplatz entgegen der gesetzlichen Vermutung noch vorhanden ist. Da für diese Feinheiten ein geübtes Auge und langjährige Erfahrung erforderlich ist, ist jedem Gekündigten in einer solchen Lage dringend zu raten, einen Fachanwalt für Arbeitsrecht einzubeziehen.