Außerordentliche Kündigung trotz Unkündbarkeit bei Betriebsübergang nach Outsourcing?
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte zu entscheiden, ob ein Arbeitgeber einer Mitarbeiterin im Reinigungsdienst außerordentlich kündigen kann, obwohl diese Mitarbeiterin eigentlich aufgrund Tarifvertrags wegen ihres Alters und ihrer Beschäftigungszeit – oder als Betriebsratsmitglied – ordentlich unkündbar ist. Zu dieser Entscheidung kam es, als die Arbeitgeberin die „unternehmerische Organisationsentscheidung“ traf, alle Reinigungsdienste im Wege eines Betriebsteilübergangs auf einen neuen Inhaber zu übertragen (“Outsourcing”) und die Mitarbeiterin dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf das neue Unternehmen widersprach (§ 613a Abs. 6 BGB). Daraufhin kündigte die „übergebende” Arbeitgeberin der Mitarbeiterin außerordentlich mit einer Auslauffrist, also einer freiwilligen Kündigungsfrist mit der Länge wie bei einer ordentlichen Kündigung.
Die Arbeitgeberin argumentierte, sie müsse der langjährig beschäftigten Mitarbeiterin kündigen, weil keine Arbeit mehr vorhanden sei, die dieser Mitarbeiterin übertragen werden könnte. Alle zumutbare vorhandene Arbeit sei auf den neuen Betrieb übergegangen und es gebe keine Unkündbarkeit bei Betriebsübergang nach einem sog. Outsourcing.
Die gekündigte Mitarbeiterin meint, die Arbeitgeberin hätte die Reinigungstätigkeiten nicht an ein Drittunternehmen, also an das neue Unternehmen vergeben dürfen, weil dadurch der Sonderkündigungsschutz der Mitarbeiterin unterlaufen und verletzt werde.
Das Arbeitsgericht und auch das Landesarbeitsgericht hielten die Kündigung für unwirksam, wodurch das Arbeitsverhältnis hätte fortgesetzt werden müssen. Danach gibt es eine Unkündbarkeit bei Betriebsübergang. Das Bundesarbeitsgericht hingegen – Entscheidung vom 20.6.2013, 2 AZR 379/12 – hält die Kündigung trotz des besonderen Schutzes, den die Mitarbeiterin genießt, für wirksam. Denn ein Arbeitgeber könne auch unkündbaren Mitarbeitern gegenüber eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen aussprechen, wenn
- die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und
- dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre bezahlen müsste, ohne eine der Arbeitsleistung entsprechende Gegenleistung zu erhalten.
Eine außerordentliche betriebsbedingte Beendigungskündigung kann in einem solchen Fall trotzdem nur dann ausgesprochen werden, wenn die Kündigung nicht durch geeignete andere Maßnahmen vermieden werden kann: z.B. Zuweisung einer anderen, zumutbaren Tätigkeit, Ausspruch einer Änderungskündigung, Umschulungsmaßnahmen u.ä. Im Ergebnis vertritt das Bundesarbeitsgericht die sicher zutreffende Auffassung, dass auch diejenigen Mitarbeiter, die ordentlich nicht kündbar sind (Betriebsrat, Unkündbarkeit aufgrund Alters und Betriebszugehörigkeit u.a. … ) nicht gegen jede Veränderung im Betrieb geschützt sein müssen.
Ergibt sich nun daraus etwas anderes, dass im vorliegenden Fall der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit der Mitarbeiterin auf einer nicht dringenden, innerbetrieblichen Organisationsentscheidung beruht und damit gewissermaßen selbstverschuldet vom Arbeitgeber veranlasst wurde? Des Bundesarbeitsgericht meint: nein. Zwar heißt es in § 1 Abs. 2 KSchG, dass eine Kündigung aus betrieblichen Gründen nur dann rechtswirksam ist, wenn diese Gründe „dringend“ sind. Damit sagt das Gesetz aber nicht, dass die innerbetriebliche Organisationsentscheidung des Arbeitgebers selbst „dringend“ sein muss. Sondern allein die dann vom Arbeitgeber ergriffenen betrieblichen Maßnahmen gegenüber dem zu kündigenden Mitarbeiter müssen „dringend“ sein. Eine unternehmerische Entscheidung zur Umorganisation des Betriebs wird von der Arbeitsgerichtsbarkeit akzeptiert, solange diese Entscheidung nicht offensichtlich unsachlich und willkürlich ist.
Damit legt das Bundesarbeitsgericht dar, dass es der unternehmerischen Freiheit zur Selbstorganisation neben dem Kündigungsschutz ebenfalls eine hohe Bedeutung beimisst. Eine sichere Unkündbarkeit bei Betriebsübergang gibt es daher nicht. Allerdings ist immer der Einzelfall zu betrachten und ist insbesondere zu prüfen, ob der Arbeitgeber den unkündbaren Mitarbeiter nicht auch anders hätte einsetzen könne. Ist dies der Fall, ist die Beendigungskündigung nach dem Widerspruch der Mitarbeiterin unwirksam, weil es mildere Mitte zur Beseitigung der “dringenden” betrieblichen Thematik gegeben hätte.